DPSG-Statement zu Netflix Doku „Pfadfinderehre: Die Geheimakten der Boy Scouts of America“
Triggerwarnung
Der folgende Text setzt sich mit dem Thema sexualisierte Gewalt auseinander. Falls dieses Thema bei dir ungewollte Emotionen oder Erinnerungen auslösen kann, solltest du diesen Beitrag nicht bzw. nicht alleine lesen.
Netflix Doku „Pfadfinderehre: Die Geheimakten der Boy Scouts of America“
Liebe Leiter*innen, liebe DPSGler*innen, liebe Leser*innen,
wir möchten euch auf eine wichtige Angelegenheit aufmerksam machen, die uns alle betrifft: Vielleicht habt ihr von der aktuellen Netflix-Dokumentation "Pfadfinderehre: Die Geheimakten der Boy Scouts of America" gehört, die kürzlich veröffentlicht wurde.
In dieser Dokumentation werden Fälle von systematischem Missbrauch und sexualisierter Gewalt bei den Pfadfinder*innen in der USA aufgedeckt, die 82.208 (ehemalige) Mitglieder der Boy Scouts betreffen. Diese Vorfälle zeigen, wie institutioneller Machtmissbrauch und Vertuschung verheerende Auswirkungen haben können. Die betroffenen Menschen tragen oft noch Jahrzehnte später, wenn nicht ein Leben lang, die schweren Folgen dieser Erfahrungen.
Zu dieser Serie gab es kürzlich auch offizielle Statements vom Weltverband der Pfadfinder*innen (WOSM) und vom Ring deutscher Pfadfinder*innenverbände (rdp). Um euch zu diesem wichtigen Thema sprachfähig zu machen und euch darüber zu informieren, welche konkreten Maßnahmen wir ergreifen und worauf es uns beim Schutz unserer Mitglieder, insbesondere auch der Kinder und Jugendlichen, ankommt, möchten wir euch Folgendes näherbringen: Unsere Arbeit gründet auf drei zentralen Säulen:
1. Prävention:
Hoffentlich ist euch der Gedanke der Prävention von sexualisierter Gewalt nicht neu. Wahrscheinlich habt ihr ein erweitertes Führungszeugnis beantragen und nachweisen müssen und ihr habt euch vielleicht bei eurer Leiter*innenschulung oder einer separaten Präventionsschulung schon einmal damit auseinander gesetzt. Seit Anfang der 2000er Jahre ist diese Thematik Teil unseres gesamtverbandlichen Ausbildungskonzepts. Ziel ist sowohl die eigenen Grenzen zu erkennen und zu respektieren, als auch die Grenzen anderer zu achten. Die Bausteine für diese Thematik sind zentral geregelt, um eine sichere Umgebung für alle zu schaffen.
Im Praxisalltag werden Schutzmechanismen und –vorkehrungen für unsere Mitglieder im Normalfall in einem Schutzkonzept für die jeweilige Untergliederung, also den jeweiligen Stamm/Bezirk/Diözesanverband beschrieben. Die Erstellung und Umsetzung von Schutzkonzepten ist bei der DPSG dezentral organisiert und liegt letztendlich jeweils in der Verantwortung der jeweiligen Vorstände. Wenn es in eurem Stamm kein Schutzkonzept geben sollte, dann fragt gerne bei anderen Stämmen, eurem Bezirk oder auf Diözesanebene nach, wie es dort geregelt ist. Oft sind die Diözesanbüros am besten mit den aktuellen Regelungen vertraut, da es keine bundesweit einheitlichen Anforderungen gibt.
Auf Bundesebene haben wir ebenfalls ein institutionelles Schutzkonzept. Dabei geht es nicht nur darum, sexualisierte Gewalt zu verhindern, sondern auch um den Schutz vor jeglichen Arten von Grenzüberschreitungen. Die Einhaltung der Präventionsstandards hat bei Bundesveranstaltungen höchste Priorität. Jede Person, die als Helfer*in an einer Bundesveranstaltung teilnimmt, ist verpflichtet, die Basis-Präventionsschulung (oder ggf. Vertiefung) und ein aktuelles erweitertes Führungszeugnis vorzuweisen.
Bei unseren größeren Veranstaltungen setzen wir unser Awareness-Konzept „Schutzhütte“ ein. Dies ermöglicht unseren Mitgliedern Schutz und die Möglichkeit zum Rückzug, sollte dies erforderlich sein.
Weitere Infos zum Thema Prävention findet ihr hier.
2. Intervention:
Wenn es bei uns im Verband den Verdacht von Fällen sexualisierter Gewalt gibt, dann muss möglichst zügig und angemessen gehandelt werden. Daher haben wir in diesem Jahr eine Interventionsordnung eingeführt, um angemessen auf Verdachtsfälle von sexualisierter Gewalt reagieren zu können. Diese Ordnung hat das Ziel, unsere Verbandskultur zu stärken, indem sie Prozesse, Strukturen und Verhaltensweisen benennt, die mit unseren Werten unvereinbar sind, und klare Richtlinien für den Umgang mit solchen Situationen festlegt.
Unsere aktuelle Interventionsordnung findet ihr hier.
3. Aufarbeitung:
Wir legen großen Wert auf die Aufarbeitung von Machtmissbrauch und betrachten dies als einen wichtigen Schwerpunkt unserer Arbeit. In diesem Zusammenhang haben wir ein externes Forschungsteam der Uni Marburg und Gießen beauftragt, ein umfassendes Forschungsprojekt durchzuführen, das sich mit dem Thema Machtmissbrauch in unserer Organisation auseinandersetzt.
Dieses Projekt hat zwei Hauptziele: Es zielt darauf ab, sexuellen und spirituellen Missbrauch zu untersuchen sowie die Strukturen und Kultur innerhalb der DPSG zu analysieren. Zur Unterstützung dieses Projekts und des Forschungsteams haben wir einen Beirat eingerichtet, der von DPSG Ebenen, Erfahrenen, externen Fachleuten und der Bundesebene vertreten wird.
Wie der Beirat genau aussieht, könnt ihr hier sehen, weitere Infos zur Aufarbeitung hier
Die Ergebnisse dieses Projekts werden als Grundlage für Empfehlungen zur Weiterentwicklung unseres Kinder- und Jugendschutzes dienen. Unser vorrangiges Ziel ist es sicherzustellen, dass wir möglichst effektive Schutzmaßnahmen für unsere Mitglieder implementieren können.
Teilweise führen solche Fälle auch zu Verbandsausschlüssen. Ein Ausschluss aus der DPSG kann aufgrund verschiedener Umstände erfolgen. Eine genaue Übersicht über die Ausschlussgründe und den Verlauf der Verfahren findet ihr hier aufgeführt.
Wenn ihr noch weitere Fragen habt könnt ihr uns gerne kontaktieren unter praeventiondpsg.de (praevention[at]dpsg[dot]de), die Kontaktdaten unserer Fachreferentin für Kinder und Jugendschutz findet ihr hier.