Privilegien-Blume oder was für Vorteile habe ich im Leben?
WICHTIG: Die Gruppe muss sich gut kennen und miteinander wohlfühlen, da hier sehr persönliche und sensible Themen/Situationen zur Sprache kommen können
Ziele
- Reflexion der eigenen gesellschaftlichen Positionierung
- Auseinandersetzung mit der eigenen (Ohn-)Machtsposition und (De-)Privilegierung
- Entwicklung eines verantwortungsvollen und konstruktiven Umgangs mit der eigenen Macht und den eigenen Privilegien
- Thematisieren von gesellschaftlichen Machtstrukturen mit Hilfe verschiedener Kategorien, welche verschiedene Lebensbereiche abfragen
- Vielschichtigkeit der eigenen Identität erkennen
Zielgruppe
ab Pfadistufe (14 Jahre)
Gruppengröße
Bis zu 20 Personen
Zeit
Ca. 60 min
Materialien
- Für alle Teilnehmenden eine Kopie des Arbeitsblattes "Power-Flower"
- Buntstifte
Vorbereitung
- Kopien für alle Teilnehmenden
- Plakate mit den Fragen für die Kleingruppen
Ablauf
Auf dem Arbeitsblatt „Power Flower“ sind verschiedene gesellschaftlich wirksame Differenzierungskategorien dargestellt (innerer Kreis). In den inneren Blütenblättern stehen die zu den einzelnen Kategorien gehörigen, in Deutschland gesellschaftlich bevorzugte Gruppen, in den äußeren Blütenblättern die tendenziell benachteiligte Gruppen. In der Power Flower werden diese beiden Kategorien (bevorzugte und benachteiligte Gruppen) bewusst gegenüber gestellt. Die Ausprägung in der Gesellschaft sind selbstverständlich vielfältiger. Um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Gesellschaft eben nicht aus zwei gegensätzlichen Seiten, sondern auch aus dem Raum zwischen diesen Seiten besteht, ist die Darstellung entsprechend gewählt.
Einzelarbeit (5-10 Minuten)
- Teile allen Teilnehmenden eine Kopie der „Power Flower“ aus.
- Wichtiger Hinweis: im Anschluss bleibt die Power Flower bei den jeweiligen Teilnehmenden und muss nicht öffentlich gezeigt werden.
- Sie bekommen die Aufgabe, bei jeder Kategorie entweder das innere oder das äußere Blütenblatt zu markieren, je nachdem, wo sie sich zugehörig fühlen. Wenn sie sich keinem der beiden Blütenblätter zuordnen können, ist das Hinzufügen eines dritten Blütenblattes erlaubt. Grundsätzlich ist die Entscheidung, welches Blütenblatt markiert wird, der Selbsteinschätzung der Teilnehmenden überlassen.
- Erkläre, dass es sich im Zentrum der Blume um Differenzierungskategorien handelt, die in der deutschen Gesellschaft wirksam sind. In den inneren Blütenblättern sind die in Deutschland gesellschaftlich bevorzugten Gruppen, in den äußeren Blütenblättern die tendenziell deprivilegierten (benachteiligten) Gruppen genannt.
Kleingruppen (20 Minuten)
- Wenn alle Teilnehmenden ihr Arbeitsblatt fertig markiert haben, begeben sie sich in Kleingruppen (4-6 Personen), um die Power Flower zu diskutieren.
- Folgende Fragen, die auf einem Plakat für alle sichtbar festgehalten werden sollten, können ihnen dabei zur Orientierung dienen:
– Wo war die Zuordnung zu den Blütenblättern schwierig, wo nicht? Warum?
– Wie ist das Verhältnis von inneren (privilegierten) und äußeren (nicht-privilegierten) Blüten auf meiner Power Flower?
– Wie fühlt es sich an, in der inneren/äußeren Gruppe zu sein?
Auswertung
Plenum (30 Minuten)
Die Auswertung findet im Stuhlkreis im Plenum statt. Es sollte deutlich werden, dass das Schema der Power Flower sich auf Kategorisierungen bezieht, die gesellschaftlich gebildet sind und in ihrer Vereinfachung die komplexe Realität nicht vollständig abbilden – gleichwohl sind sie jedoch gerade in dieser Form gesellschaftlich wirksam und eng mit der Verteilung von Vor- und Nachteilen und mit dem Zugang zu Ressourcen (z.B. Bildung, Geld, soziale Kontakte) verknüpft. Wichtig ist dabei, dass wir oft gezwungen sind, uns in diesem dualistischen System zu positionieren bzw. von anderen positioniert werden. Zudem geht es darum zu erkennen, dass alle Individuen am Schnittpunkt verschiedener Differenzierungskategorien positioniert sind und sich dabei einmal eher in der privilegierten Position, ein andermal mehr in der nicht-privilegierten Position befinden. Die Diskussion sollte beinhalten, dass es wichtig ist die eigene Positionierung zu kennen, wenn wir uns mit Unterdrückungsstrukturen auseinandersetzen. Das Bewusstmachen von und der Austausch über unterschiedliche Positionierungen ermöglicht es, Empathie für andere zu entwickeln und verantwortungsvoll zu handeln. Es geht nicht darum, Schuldgefühle wegen ‚angeborener’ Privilegien zu provozieren, sondern zu einem bewussten Umgang mit den eigenen Möglichkeiten zu ermutigen sowie dazu aufzurufen, Macht auch positiv zu deuten und für Gerechtigkeit einzusetzen. Es sollte nach Möglichkeiten gesucht werden, wie ungleichen Machtverteilungen innerhalb der Gesellschaft aktiv entgegengewirkt werden kann.
- Wie ist es euch mit der Übung ergangen?
- Welche Zuordnung ist euch schwergefallen, welche nicht? Warum?
- Bei welchen Zugehörigkeiten/Blütenblättern wart ihr euch besonders unsicher? Warum?
- Wie war der Austausch in den Kleingruppen?
- Wie fühlt es sich an, in der inneren bzw. der äußeren Gruppe zu sein?
- Stimmt euer Gefühl mit der Einteilung der Power-Flower in ‚privilegiert’ und ‚nicht-privilegiert’ überein? Fühlen ihr euch genauso (nicht)privilegiert, wie in der Power Flower aufgezeigt?
Zu den Bedeutungen von Zugehörigkeiten
- Gibt es Situationen, Kontexte oder Gruppen, in denen sich die Verhältnisse verschieben, in denen eine Privilegierung zur Diskriminierung wird oder umgekehrt?
- Hat in jedem Kontext die gleiche Kategorie für euch Bedeutung? Ändert sich die Bedeutung der Kategorien für euch je nachdem in was für einem Umfeld oder Situation ihr gerade seid? (Kontextabhängigkeit von Zugehörigkeiten)
- Bedeuten euch die Zugehörigkeiten alle gleich viel, sind euch diese immer bewusst? (Unterschiedliche subjektive Bedeutung von Zugehörigkeiten
- Haben die Zugehörigkeiten in der Gesellschaft alle das gleiche Gewicht? (Unterschiedliche gesellschaftliche Bedeutung von Zugehörigkeiten)
An dieser Stelle solltest du darauf hinweisen, dass die Bedeutung, die einer Differenzierungskategorie sowohl subjektiv als auch gesellschaftlich zugewiesen wird, davon abhängt, inwiefern diese Kategorie mit gesamtgesellschaftlich vorherrschenden Zuschreibungen und Vorurteilen besetzt verknüpft ist. Manche Formen von Diskriminierung haben eine lange, gewaltvolle Geschichte der Unterdrückung, wodurch ihre Wirkungskraft verstärkt wird (z.B.: Rassismus/Kolonialismus: Die historischen Wurzeln sind im Zusammenhang mit dem System von Sklaverei und materieller Ausbeutung zu sehen).
Zu Eigenschaften von Zugehörigkeiten
- Ist die Zugehörigkeit zu den Kategorien in den Blütenblättern eure eigene freiwillige Entscheidung oder wurde diese Zugehörigkeit von ‚außen’ zugewiesen? Welche Konsequenzen hat dies?
- Ist die Zugehörigkeit zu den Blütenblättern veränderbar?
- Können privilegierte/nicht-privilegierte Zugehörigkeiten andere Zugehörigkeiten nach sich ziehen?
Zu Umgangsweisen in und mit Machtverhältnissen
- Wie und wann können wir auch in marginalisierten Positionen machtvoll sein?
- Wie geht es euch mit eurer Macht bzw. Ohnmacht und was können wir jetzt mit dieser Analyse machen?
- Wie könnt ihr eure Macht positiv nutzen? Wie könnt ihr sie nutzen, um die Machtungleichheitsverhältnisse zu verändern?
Es ist wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass Macht nicht nur etwas Negatives, ‚Bösartiges’ ist, sondern auch Möglichkeiten und Ressourcen beinhaltet. Hier kann auf die positive Nutzung des Machtbegriffes in anderen Sprachen verwiesen werden (englisch „power“, französisch „pouvoir“ etc.). Macht kann konstruktiv eingesetzt werden, beispielsweise in Form von Empowerment und Powersharing
Hinweise
Häufig haben Teilnehmende zunächst Widerstände gegen ein so starres, dualistisches System und die jeweilige Einteilung in privilegierte und nicht-privilegierte Gruppen. Es hat sich bewährt, in der Auswertung Raum für solche eventuellen Widerstände zu geben, denn der kritische Austausch über die Power Flower kann für die ganze Gruppe konstruktiv genutzt werden.
Mögliche Varianten
Zwei Varianten für das Arbeitsblatt „Power Flower“
1. Es kann eine oder mehrere Kategorien leer gelassen werden, so dass die Teilnehmenden die Möglichkeit bekommen, eine weitere Differenzierungskategorie, die für sie von Bedeutung ist, selbst einzutragen, und dabei auch zu reflektieren, welcher Pol in dieser Differenzierungskategorie tendenziell privilegiert und welcher marginalisiert ist.
2. Nur die Differenzierungskategorien (im inneren Kreis) werden vorgegeben, alle Blütenblätter werden leer gelassen. Auf diese Weise sind die Teilnehmenden aufgefordert, sich selbst Gedanken darüber zu machen, welche Gruppen in der Gesellschaft privilegiert und welche deprivilegiert sind.